22. November 2018
Rund zwei Jahre haben sich Schülerinnen und Schüler des Bischöflichen Gymnasiums Josephinum in Hildesheim mit Feldpostbriefen des Ersten Weltkriegs beschäftigt. Dabei ging es nicht um irgendwelche Briefe, sondern um den Briefwechsel von Soldat Hermann Schmidt aus Veltheim bei Braunschweig mit seiner Familie.
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Hermann Schmidt – Rekrutenausbildung im Juli 1917. |
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Insgesamt 53 Feldpostbriefe hat Hermann Schmidt nach Haus geschickt – adressiert an den Dachdeckermeister Wilhelm Schmidt. |
VON EDMUND DEPPE
Intensiv haben sich die Oberstufenschüler mit den Feldpostbriefen von Hermann Schmidt auseinandergesetzt. Sie stammen aus Privatbesitz und sollten bei einer Dachbodenentrümpelung weggeschmissen werden. Studiendirektor Torsten Memmert erkannte den geschichtlichen Wert der Briefe. Er nahm sie mit in die Schriftkunde-AG des Gymnasiums Josephinum. „Zur Zeit sind das alles Oberstufenschüler aus dem Leistungskurs Geschichte und sie haben sich richtig in die Sammlung reingekniet“, verrät Memmert.
Da wurde gesichtet, chronologisch sortiert und sich in die anfangs ungewohnte Schrift eingelesen. Insgesamt gibt es 65 Briefe, davon hat Hermann Schmidt 53 geschrieben. „Wir haben alle Briefe transkribiert, also erfasst, und dann ausgewertet. „Wir haben Hermann Schmidt ziemlich gut kennengelernt und konnten seinen Werdegang als Soldat sehr genau verfolgen“, erzählt Pauline Fikowski.
Der am 20. Oktober 1899 geborene Sohn des Dachdeckermeisters Wilhelm Schmidt wird am 22. Juni 1917 eingezogen und beginnt sein Soldatendasein bei der Landwehr in Hannover. Über Munster und Celle geht es schließlich Ende Oktober nach Russland, wo er aufgrund einer Lungenentzündung und dem Waffenstillstand im Dezember nicht mehr zum Kampfeinsatz kommt.
Hermann schreibt oft nach Haus an seine Familie und bittet in seinem ersten Brief darum: „Hebt doch meine ganze Post auf, bis ich wiederkomme!“ Die Briefe sind dicht, gewähren auch einen Einblick in das Gefühlsleben des jungen Mannes. Und sie spiegeln die Situation an der Front wider. „Soldat zu sein, scheint dem gelernten Dachdecker anfangs etwas zu bedeuten. Er ist wer. Aber im Laufe der Zeit, gerade aus den späteren Briefen aus Frankreich von der Westfront, spricht der Kriegsüberdruss und das Bewusstsein, dass dieser Krieg nicht mehr zu gewinnen ist“, meint Fikowski.
Die Feldpostbriefe berichten von der schlechten Situation und Ausrüstung der Soldaten an der Front: mangelnde Hygiene, Krankheiten, Kälte, Hunger. Das schreibt Schmidt nicht direkt, aber es ist aus seinen Wünschen ersichtlich, Wünsche für das nächste Paket aus der Heimat. „Auf den Krieg selbst, auf Kampfhandlungen, an denen er als Angehöriger der schweren Reiterei und später als Maschinengewehrschütze sicher beteiligt ist, geht er nicht ein“, berichtet Sven Strüber. Auch haben die Teilnehmer der AG festgestellt, dass es keine Zensur von seiten der Militärführung gab.
„In seinen Briefen nach Haus erkundigt sich Hermann immer nach seiner Großmutter und pflegt in seinen Briefen einen engen Kontakt zu seiner Familie, der sich im Laufe der Zeit immer weiter intensiviert“, so Pauline. Er nimmt Anteil an den Jahreszeiten, fragt nach der Ernte, will wissen, wie Weihnachten die Krippe aufgebaut ist und ob der Christbaum wieder am alten Platz steht. „Das Projekt war spannend. Wir haben sozusagen Geschichte live miterlebt. Jeder Brief war für uns eine Überraschung“, sagt Clemens Boenkendorf. „Aus vielen kleinen Puzzelteilen ist dann schließlich ein Gesamtbild entstanden.
Aufgefallen ist den Schülerinnen und Schülern, dass sich Hermann anfangs noch nach Freunden erkundigt. Doch das wird immer seltener, da auch Freunde gefallen sind. Vielleicht war es ein Selbstschutz, vielleicht wollte er auch seine Familie nicht beunruhigen. Hermann selbst schreibt resigniert in einem Brief 1918 zum Tod von immer mehr Soldaten aus Veltheim: „... aber da ist nichts gegen zu machen.“
In seinen Briefen klingt vermehrt der Wunsch nach Frieden durch und die Hoffnung, dass er bald zu seinem Geburtstag nach Hause auf Urlaub kommt. Doch diesen Urlaub erlebt er nicht mehr. Seinen letzten Brief hat Hermann Schmidt kurz vor seinem Geburtstag am 8. Oktober 1918 geschrieben, danach gilt er als vermisst.
„Uns hat besonders angerührt, dass Hermann ungefähr in unserem Alter war, als er vor 100 Jahren Schreckliches erlebt hat. Wir können froh und dankbar sein, dass wir in einem friedlichen Europa leben können“, lautet das Fazit von Pauline Fikowski.
Aus der Arbeit der Schriftkunde AG ist nun eine kleine Ausstellung entstanden, die im 1. Obergeschoss im Altbau des Josephinums (Domhof 7) während der Schulzeit (in der Regel bis 13 Uhr) besichtigt werden kann. Sie dokumentiert den Großteil der letzten beiden Lebensjahre von Hermann Schmidt in Verbindung mit der Geschichte des Ersten Weltkrieges.
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Das könnte in einem Paket aus der Heimat. gewesen sein. Pauline Fikowski präsentiert eine Originalflasche Sidol aus der Zeit. |
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Auf einem alten Familienbild zeigt Torsten Memmert (mitte) den Mitgliedern der Schriftkunde-AG und seinem Kollegen Malte Lischke (rechts) Hermann Schmidt. | Fotos: Edmund Deppe |